Nowruz mobarak!!! – Happy New Year !!!
Zurück in Shiraz sind wir gespannt auf das vielzitierte „Nowruz“. Nowruz ist das iranische Neujahrsfest beginnend um den 21. März und geht auf vorislamische Zeiten zurück. Es wird überall im ehemaligen persischen Einflussbereich gefeiert, auch in Tajikistan, Afghanistan, Pakistan, Aserbaidjan usw. Wir wurden sogar mehrfach gewarnt in diesen Wochen im Iran zu reisen, weil viele Iraner unterwegs sind und alles überfüllt sei- es könnte schwierig werden, Hotels und Transport zu bekommen. Wir haben uns deshalb einen Mietwagen bei einer Teheraner Autovermietung reserviert und können notfalls auch zelten – soweit der Plan. Aber auch hier werden wir gewarnt – Auto fahren im Iran sei viel zu chaotisch und gefährlich! Wir übernehmen dennoch vor dem Flughafen in einer Parklücke unseren Toyota Prado – so richtig taufrisch sieht das Gefährt nicht mehr aus, aber angesichts der allgemeinen Warnungen ist uns eine verrammelte Karre eigentlich ganz recht. Dass der linke Scheinwerfer und das Aufblendlicht nicht funktionieren, fällt uns erst am nächsten Abend auf. Schnell per WhatsApp Sadaat Rental informiert und am nächsten Morgen um 10 steht Yari vor der Tür und verschwindet erstmal mit dem Auto Richtung Werkstatt. Mittags um 14 Uhr ist alles gerichtet und das Abenteuer „Road trip Iran“ kann losgehen.
Aber zunächst feiern wir mal Nowruz: Mozhdeh und Hooman hatten uns schon sehnsüchtig erwartet und es ist sternenklar, dass wir die Nowruz – Feierlichkeiten mit ihnen verbringen. Eigentlich hatten wir verabredet, dass wir gemeinsam nach Isfahan fahren und dort zusammen ein paar Tage bleiben. Planungen im Iran sind aber dazu da im Viertelstundentakt modifiziert zu werden … Neuer Ansatz: Freunde von den Beiden veranstalten abends eine Gartenparty zu Chaharshanbe Suri – der Abend vor Nowruz – und dann wollen auch noch die Verwandten besucht werden. Okay, wir „ziehen“ erst einmal bei Mozhdeh und Hooman ein. Wegen der kalten Witterung will Sonja noch stadttaugliche Kleider shoppen und der Friseur ist auch noch dran. Mozhdeh ist begeistert – alles Dinge die Iraner vor Nowruz auch tun – Frühjahrsputz, neue Kleidung usw. Wir ziehen durch die Malls der Vorstadt und gehen in den Massen auf. Schnell noch einen Termin im Friseursalon gemacht und mit Cola und Cookies bewaffnet gehts ab zum Nowruz-Styling… im Souterrain eines Häuserblocks eine 60qm Bude in der sich geschätzte 50 Frauen tummeln. Hier werden die Hüllen fallen gelassen – Trägertops und die neuste Mode kommt zum Vorschein. Haare werden gestylt, Augenbrauen gezupft, die Fingernägel lackiert … alles auf engsten Raum und es wird geschnattert was das Zeugs hält. Und alle finden es megalustig, dass ich mir hier bei ihnen die Haare schneiden lasse! Wo kommst du her, wo willst du hin, wie gefällt dir Iran ??? Die Fragen prasseln während die Haare geschnibbelt werden. Nach drei Stunden sind wir (endlich) wieder draußen … Christophs flotte Tolle wurde in deutlich kürzerer Zeit designed – die Herren hatten ihr Kebab schon längst verdaut als wir Frauen endlich auftauchen.
Zuhause wird dann im Wohnzimmer der Haft Sin gedeckt – eine Tradition zu Nowruz, auf die wir in den kommenden Wochen in jedem Haus treffen werden. Auf einem Tisch werden sieben (haft) Gegenstände dekoriert, die in Farsi mit dem Buchstaben „S“ beginnen und im neuen Jahr Glück bringen sollen – Äpfel, Knoblauch, Essig, Geldmünzen, Gras usw … Abends geht es auf zur Gartenparty mit großer Mannschaft – Schwester, Bruder, Mutter, Freunde, Schulkamerad – wir sind bestimmt 20 Leute! Das Gelände liegt außerhalb der Stadt. Hier reihen sich die typischen iranische „Datschas“ aneinander – viel des privaten Lebens der iranischen Mittelklasse findet hinter hohen Mauern statt. Die Gäste sitzen in Gruppen um offene Feuer, eine Band spielt auf und es wird viel getanzt … selbstgebrannter Alkohol steht unter etlichen Tischen. Wir sind dann doch überrascht, wie ausgelassen und fröhlich hier gefeiert wird – derart hatten wir das noch nirgends auf unserer Reise erlebt und das im Iran !!!
Den kommenden Tag verbringen wir erst einmal mit ein wenig Sightseeing – Aramgah-e Hafez, das Grab des Nationaldichters, Jahan Nama Garden und Qoran Gate stehen auf dem Programm. Zum eigentlichen Nowruz – dem Beginn des neuen Jahres – trifft man sich dann im engsten Familienkreis bei Hoomans Eltern nachts um 1:30 Uhr. Wer diese Uhrzeit vorgibt, ist nicht ganz klar herauszufinden – es ist aber dieses Jahr der Start des neuen Jahres. Alle erscheinen sehr offiziell gekleidet und mit unserem Reiseoutfit sind wir total „underdressed“. Der nächste Tag fühlt sich ein bisschen wie unser Neujahrstag an – wir machen einen Ausflug nach Galhat, ein kleines Bergdörfchen vor den Toren von Shiraz. Dort gibt es diverse Wasserfälle und den Blick hoch in die noch verschneiten Berge und jede Menge Restaurants. Ausflüge macht man hier scheinbar immer zum Essen: Picknick oder Restaurant? – das ist die entscheidende Frage! Wir schaffen es dennoch eine kleine Wanderung zu initiieren und sind froh über ein bisschen Bewegung vor einem „kleinen Mittagssnack“ an den „Shirazer Wasserfällen“ – jaaaa, die Atmosphäre erinnert tatsächlich an Triberg! Zum Abend trifft man sich natürlich wieder im Familienkreis – und: Zum Essen! Wir lernen Sara und Falk, ein iranisch-deutsches Paar aus Stuttgart, kennen und tauschen uns angeregt über unsere jeweiligen Erfahrungen aus.
So plätschern die Tage dahin und wenn wir noch was vom Iran sehen wollen, sollten wir uns bald mal auf die Socken machen – auch wenn Shiraz selbstverständlich das beste Klima, das beste Essen und die nettesten Leute hat … Wir verkünden, dass wir uns Richtung Persepolis und Yazd aufmachen – Mozhdeh und Hooman können sich nicht entschließen mitzukommen, so brechen wir beide schließlich alleine auf.
Unser erstes Ziel ist Persepolis, eine antike Stätte – gebaut während des Achaemenid Reiches ca 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Gemeinsam mit vielen Iranern besichtigen wir die beeindruckende Anlage.
Zum Übernachten organisiert Hooman uns ein Homestay in Jafar Abad Sofia – es liegt in einem Tal zwischen Zagrosgebirge im Süden und der Wüste im Norden. Aufgrund der Sanktionen gegen den Iran sind booking.com, Airbnb etc. hier nicht aktiv und unsere üblichen „Tools“ taugen nichts. Iranische Websites in Farsi sind wenig hilfreich, so sind wir wegen Unterkunft meist auf Hilfe angewiesen. Das Homestay wird von Kamis liebevoll betrieben, er hat Wirtschaft studiert und seine Frau ist Ärztin in Shiraz. Kamis erzählt von seiner Bergsteigervergangenheit und bietet uns für den nächsten Tag an mit uns in den umliegenden Bergen zu wandern – wir bleiben also noch eine weitere Nacht. Am Morgen dürfen wir zunächst noch mit einer alten Steinmühle Getreide malen und im Ziegenlederbeutel Yoghurt schütteln. Schmunzelnd beobachten uns die Hausangestellten … Aber nun wollen wir mit Kamis auf den nächstgelegenen Berg – er sagt, es sei ein 4000er (was ich bezweifle und die Karten geben auch nicht viel her). Auf dem Berg liegt noch deutlich Schnee, also gut – wer wird da zweifelnd schauen! Nach zwei Stunden Anstieg zeigt sich allerdings (vöööööllig unerwartet), dass das Unternehmen zumindest ohne Steigeisen und Pickel nicht zu machen ist und zudem Kamis Kondition auch nicht mehr zum Besten steht. Innerlich kopfschüttelnd ermöglichen wir Kamis einen möglichst gesichtswahrenden Rückzug … zu Tee&Kebab. Die anschließende (Auto-) Tour durch die Dörfer ist auch ganz schön – viel Landschaft, ein zerfallenes Lehmdorf und ein weiteres nett renoviertes Guesthouse. Diese Projekte von meist jungen Paaren sind der neuste Trend und auch die Teheraner genießen die gemütlichen traditionellen Unterkünfte – nur zu finden sind sie noch schwer. Wir tragen unseren Teil zum Marketing bei und setzen eifrig Markierungen auf Maps.me und iOverlander. Ein abwechslungsreicher Tag – allerdings kann Kamis am nächsten Tag kaum laufen wegen seinem Muskelkater …
Für uns geht es weiter nach Yazd. Die Stadt gefällt uns auf Anhieb total gut – der große alte Ortskern mit unzähligen Lehmbauten, nette Cafés und Ferienstimmung überall. Nur das Wetter will nicht so richtig, es ist regnerisch – wirklich schade für die vielen Fotomotive. Die Jame Moschee ist dennoch beeindruckend – nett auch die Atmosphäre: Auf den Teppichen sitzen viele Großfamilien und genießen plaudernd einen Tee. Picknickatmophäre im Gebetsraum!
Yazd ist zudem das Zentrum der Zoroastrier im Iran, die erste monotheistische Religion der Welt und so stehen Feuertempel und Tower of Silence auf dem Besichtigungsprogramm. In den Türmen wurden bis vor 50 Jahren die Toten den Geiern zur Luftbestattung überlassen, um Erde und Wasser vor Verunreinigung zu schützen. Die Iraner sind sehr stolz auf ihre vorislamischen Traditionen und so erfährt auch der Zoroastrianismus hohe Wertschätzung.
Außerdem haben die Qanat – ein 2000 Jahre altes, häufig unterirdisches Bewässerungssystem – eine hohe Bedeutung in der Wüstenstadt. Die Abgänge zu den Kanälen und Wasserspeicher mit den Windtürmen zur Belüftung und Kühlung sind überall anzutreffen und sehr prächtig gebaut.
Auch kunsthandwerklich ist Yazd interessant: Viele Töpfereien, Teppiche werden gewebt – jede Region hat hier ihren eigenen Stil und die Patisserie ist einfach unglaublich LECKER!!! … insbesondere die Yazadi – kleine Rührteigküchlein mit Pistazien oben drauf – haben es uns angetan! Mit den noch warmen süßen Stückchen füttern uns viele Iraner im Vorübergehen! In Nowruz-Stimmung wird dieses Gebäck in Familiengroßpackungsmenge frisch beim Bäcker erstanden und bereits auf der Straße die ersten Teile genossen.
Interessant auch die immer noch aktiven Hennamühlen – hier staubt es in grün!
Auf einem Citywalk lassen wir uns durch die verwinkelten Gassen Yazds führen und erfahren neben den Geschichtsdaten noch weitere Details zu Türklopfern an alten Türen und entdecken ein altes Hammam.
Einen traditionellen iranischen Sportclub „Saheb A Zaman Zurkhaneh“ – den Keulenschwingerclub – besuchen wir ebenfalls: In einem Gewölbekeller treffen sich Männer allen Alters, trainieren und kämpfen, wie sie es schon vor tausenden Jahren taten. Dabei kann man mächtig stark werden, wie Bilder und Heldentafeln an den Wänden beweisen. Doch heute wird nur trainiert in einer Mischung aus klassischem Bodybuilding und rhythmischer Sportgymnastik. Auf einem Podest sitzt also ein multifunktionaler Antreiber, der singt, trommelt, ab und an den Gong schlägt und fortwährend Kommandos gibt, während im Ring die Trainings-wütigen sich zuerst strecken und dann in sehr schwierig aussehende Liegestütze übergehen. Der Antreiber trommelt sich derweil in Ekstase und ruft immerzu dieselben Kommandos in die Menge, die von ihr genauso ekstatisch wiederholt werden. Nach scheinbar endlosem Aufwärmtraining werden die Keulen in Aktion gebracht, diese machen das Trainingszeremoniell so einzigartig. Sie sind in Größe, Gewicht und Handhabung Schwertern nachempfunden.
no images were found
Schon die Jüngsten machen Jonglierübungen mit den kleinsten Keulen. Kurz darauf beginnen die Alten sich die schwersten Keulen im Gleichtakt der Musik über die Schultern und Köpfe zu heben. Dabei stehen sie so eng, dass ein Abweichen von dem gesamtheitlichen Bewegungsablauf unweigerlich mit der Verletzung eines Nachbarn enden würde. Irgendwann hat es sich ausgekeult, sah ja auch anstrengend aus. Da bleibt noch ein wenig Zeit, sich einmal mehr zu lockern, was man am Besten durch die rhythmische Drehung um die eigene Achse zu erreichen scheint. Besonders die Jüngeren erreichen dabei ein beeindruckendes Tempo. Und auch der älteste Ringer betritt noch einmal die Manege, während ihm seine Ringerkollegen ihren Tribut zollen. Chris hebt beim Rausgehen mal eine der Keulen – s**schwer – nun ist den Akteuren unsere Bewunderung gewiss!
Von Birgit und Johannes wussten wir, dass die Polizeistation von Yazd ein guter Platz ist das Visum zu verlängern und so versuchen wir unser Glück – schließlich wollen wir bis Anfang Mai im Iran bleiben. Der Behördenchef begrüßt uns gut gelaunt zwischen den afghanischen und irakischen Visumsverlängerern, obwohl er an Nowruz arbeiten muss und es ist ja sooooo viel zu tun – wollt ihr das Visum nicht in Isfahan verlängern?? Als wir uns nicht abwimmeln lassen, macht er die Angelegenheit zur Chefsache und wir sitzen einen Vormittag vor seinem Schreibtisch, während er die Bürden seines Amtes trägt – am nächsten Tag können wir unser Visum abholen: Um 4 Wochen verlängert – bis zum 10. Mai! Bingo!
Von Yazd geht es weiter nach Meybod und Ardakan – auch hier treffen wir wieder auf einen äußerst hilfsbereiten Guesthouse-Betreiber – er nimmt sich mehrere Stunden Zeit um uns durch Ardakan zu führen. Wie überall gibt es lokale Spezialitäten, die probiert werden müsssen. Hier sind es Sesamprodukte – Öl und Paste sind in ganz Iran bekannt und es gibt ein frittiertes gewürztes (Knäcke-)Brot. Im Teppichmuseum schaunen wir beim Teppichweben zu und bewundern die vielen verschiedenen Designs.
In Meybod beeindruckt uns der Taubenturm, in dem mehrere tausend Tauben zur Düngerproduktion gehalten wurden. Die Eisproduktion in der Wüste ist auch sehr interessant … in Becken wurde im Winter das Regenwasser gesammelt und gefroren. Dann in Blöcke gehauen und im Eisturm gelagert … heute liegt am Boden nur noch ein dekorativer bunter Teppich. Apropos Teppich – auch in Meybod in einer alten Karawanserei gibt es ein Teppichmuseum und wir schauen einer alten Dame beim Weben zu. Die Wendeteppiche aus Baumwolle haben es mir angetan – schade, dass das Fluggepäck so begrenzt ist.
Nun zieht es uns weiter in die Wüste Dasht-e Kavir hinein, wir besuchen die Oasen Garmeh und Farahzad.
Unterwegs fahren wir durch weite Ebenen nur mit kleinem Buschwerk bewachsen – Erinnerungen an Uzbekistan kommen hoch. Die Weite der Landschaft ist einfach irre!!! Und bei Farahzad sitzt Sonja mal wieder entspannt auf einer Sanddüne …
Schließlich kommen wir in Isfahan an, Freiburgs Partnerstadt und die Stadt im Iran, von der alle schwärmen. Da wir aber nach unserem Trekking noch einmal nach Isfahan kommen werden, lassen wir es langsam angehen. Den Naqsh-e Jahan Platz – der größte offene Platz der Welt – umrunden wir leider im Regen – fotografieren ist wieder nicht … Ein Tag verbringen wir im armenischen Quartier und sind überrascht als wir mehr über die Geschichte dieses Volkes im Iran erfahren. Unter Shah Abbas I wurden die Armenier im 17. Jhd aus dem Nordwesten des persischen Reiches umgesiedelt und ließen sich in Isfahan nieder, wo sie die Stadt mit Handwerkskunst und Kultur maßgeblich prägten. Wie zuvor in Yazd realisieren wir, dass der Iran wesentlich multikultureller ist als man bei uns annimmt – es gibt wohl 50 unterschiedliche Sprachen, etliche Religionen und drei verschiedene Kalendar. Am Abend bummeln wir über eine der romantischen Bogenbrücken und bewundern die Lichtspiegelungen im Fluss.
Am nächsten Morgen gehts zurück nach Shiraz bei strömendem Regen auf der Autobahn! Übrigens ist das Fahren im Iran lange nicht so schlimm wie alle behaupten … nach der indischen Schule alles kein Problem – kaum Tiere auf der Fahrbahn und Geisterfahrer gibt es auch nicht! Da fällt mangelnde Spurtreue und notorisches Parken in zweiter Reihe kaum auf …
Hallo Christoph,
Coole Bilder, spannende Geschichten (wie immer) 🙂 nun auch noch eine coole Frisur 🙂
Lasst es euch weiterhin gut gehen.
LG
Björn
Nice info..Thanks for bringing this close and infront of readers