Damara, Himba, San & Co – „Hallo!“ heißt hier „Aiiii!“

Damara, Himba, San & Co – „Hallo!“ heißt hier „Aiiii!“

30. Mai 2019 0 Von sschellh

Swakopmund – unser Boxenstopp … Reisealltag … Wäscherei suchen, Autoradio (wieder) reparieren lassen, Einkaufen, Blog schreiben – und seit langem Mal wieder in einer Wohnung wohnen. Bei den frischen Temperaturen hier am Meer ein gute Entscheidung – Nordseeklima lässt grüßen. Aber: Hier reichen die Sanddünen der Namib bis ans Meer … und der Sand pustet des Öfteren heftigst über die Küstenstraße! Mit Kückis haben wir unsere Stammkneipe gefunden, dort gibts frisch gezapftes Bier und lecker Meeresfrüchte und ein Schwätzchen an der Theke. Die ganzen deutschen Namen in der Stadt sind immer noch ziemlich irritierend … es gibt sogar ein Amtsgericht. Und das hier ist „Afrika“??? Das „weiße“ Afrika – hier erholen sich namibische und sonstige Rentner im Meeresklima und es feiern Farmerpärchen Honeymoon – hier gibt es seit 70 Jahren einen deutschen Kindergarten und seit ein paar Jahren einen Bioladen. So richtig weiß ich noch nicht, was ich von den Folgen der Kolonisation halten soll … es prallen hier die Gegensätze aufeinander. Hier fast eindrücklicher als in Kapstadt – die Grenzen scheinen schärfer, obwohl die Stimmung trotzdem entspannter ist als in Südafrika.

Anyway – wir haben unseren Ausflug ins namibische Stadtleben genossen und machen uns mit voller Kühlbox weiter auf Richtung Norden. Der nächste Stopp ist das Matterhorn Namibias: Die Spitzkoppe (… die „Fußgängerzone“ hier ist allerdings nicht ganz so mondän wie in Zermatt …). Im Abendlicht klettern wir auf den Felskugeln herum und suchen ein schönes Plätzchen für den Sundowner. Am Morgen durch die Traumkulisse joggen und weiter gehts … zum Klettern haben wir ja kein Zeugs dabei ?.

Heute steht ein bisschen Kultur auf dem Programm – Besuch des Damara Living Museum. So ein bisschen neugierig auf das ursprüngliche Leben in dieser oft unwirtlichen Gegend sind wir ja schon. An ein paar traditionellen Dörfern der Damara sind wir auch schon vorbeigefahren, aber einfach in so ein Hüttendorf hineinplatzen, das fühlt sich nicht gut an. Also ist das Living Museum eine Alternative – ähnlich wie es auf den Vogtsbauernhöfen im Schwarzwald Einblicke ins ursprüngliche Landleben der Vergangenheit gibt, wird uns hier vieles über Heilkräuter, Feuer machen, Kleidung, Jagd & Viehzucht erzählt und wir dürfen einige unserer Fragen loswerden. Und werden auch explizit aufgefordert zu Fotografieren und zu Filmen und daheim von ihnen zu erzählen! Ein Tänzle gibts natürlich auch … interessant wars auf alle Fälle und wird uns auch als Gewinn für die Menschen vor Ort vermittelt: Es gibt Arbeitsplätze und die Kultur geht nicht verloren … also gut.

Beim nächsten Stopp wird’s noch etwas historischer – die Felszeichnungen der San, ein Volk vor tausenden Jahren in das südliche Afrika eingewandert … Sammler & Jäger. So staunen wir dann auch über die vielen Tiergravuren – und wir können ein bisschen erahnen, was dort von Tiersichtungen berichtet wurde und wie sogar die Lage von Wasserstellen in Form diverser Kringel & Kreise landkartenmäßig erfasst wurde. Geführt hat uns eine Studentin, die sich mit bewundernswertem Elan nach der Schule über verschiedene Stationen bis zum Guide hochgearbeitet hat und nun ein Fernstudium „Tourismus Management“ absolviert. Sie fährt mit uns zu „ihrem“ Dorf, um uns dort die SIM-Karten wieder aufzuladen. Auf der Fahrt müssen wir lachen, als wir uns zu Dritt auf unsere zwei Sitze quetschen: Autofahren „The African Way“ schmunzelt unsere hilfsbereite Begleitung und freut sich, dass unser Auto nicht ganz so über die Piste ruckelt wie ihr üblicher Shuttlebus. Am Dorfeingang gibts die Telefonkarten in einer Shebeen, der Dorfkneipe – laute Musik und die ganzen Scherben ringsherum zeugen von dem, was hier wohl manchmal so abgeht … dafür ist der Fußballplatz direkt nebendran sauber wie abgeschleckt ?.

Zurück an unserer Campsite genießen wir die schöne Aussicht in die weite Landschaft – Zeit für einen Sundowner. Diesmal müssen wir die Nüsschen etwas widerstrebend mit unseren gefiederten Freunden teilen. Die Hornbills mit ihren massiven Schnäbeln rücken uns so dicht auf die Pelle, dass Teilen angesagt ist – oder der Finger ist ab ??? 

Damit das Touriprogramm für diese Gegend komplett abgearbeitet ist, fahren wir am nächsten Morgen zunächst noch zu den Orgelpfeifen und dem schwarzen Berg. Die Orgelpfeifen sind wohl entstanden, als vor Jahrtausenden Lava zwischen Schieferplatten lief. Bis zu sechs Meter hoch stehen diese Säulen hier in einem kleinen Canyon herum und sind ganz nett anzuschauen. Beim schwarzen Berg, der dann gar nicht so schwarz ist geben wir dann auf – hier hat man offensichtlich noch irgendeine Touri-Attraktion zum Anhalten gebraucht … unspannend (… schaffte es noch nicht einmal als Fotomotiv …).

Da stellen wir uns lieber dem Gerüttel der Wellblechpiste, das uns heute fast 150 km bis in den letzten Muskel beglückt – habt ihr schon mal Muskelkater vom Autofahren bekommen???? Wir schon!!! Am Abend gibts dafür ein Bad in einer heißen Quelle – so hieß es im Reiseführer … na ja … am Ende einer abschließenden querfeldein Ruckelpiste findet sich bei einem ziemlich gut versteckten Campsite ein kleiner Tümpel mit Miniatur-Wasserfall … aus dessen Boden mit viiiiiiiel Feingefühl an manchen, wenigen, schwer auffindbaren Stellen ab und zu mit viel Fantasie … ein bisschen wärmeres Wasser strömt. Aber Wasser in dieser trockenen Landschaft ist trotzdem einfach … COOL !!!
(… aber der Pool mit Aussicht UND Campari Orange am nächsten Abend ist auch nicht zu verachten …) 

Heute gibts Kultur die Zweite: Diesmal interessieren uns die Himba – unsere erste Begegnung hatten wir mit ihren eindrucksvollen Frauen im Supermarkt in Opuwo – rotangemalt und in traditioneller Kleidung und dem megagestylten Haar sind sie nicht zu übersehen. Und ihre Dörfer mit den kleinen Rundhütten und dem Akazienkral säumen hier zunehmend unsere Fahrstrecke. Wieder ein „Living Museum“ – Robert erklärt uns Zweien (netterweise sind wir hier alleine auf weiter Flur unterwegs – KEINE Busladungen!) die Grundstruktur des Dorfes, spricht über Rituale und das heilige Feuer. Die Frauen erklären uns die Himba-Körperpflege … mit Ocker & Butter reiben sie sich ein und mit Rauch wird parfümiert. DIE Alternative zum Duschen in dieser trockenen Gegend! 
Auch hier frage ich Robert nach Zukunftsperspektiven … Bildung, Bildung, Bildung sagt er, ist das was er den Kindern in seinem Umfeld predigt – und das, obwohl er, der sich durch ein 3-jähriges Studium gearbeitet hat in seinem Berufsfeld keinen Job gefunden hat und in sein Dorf zurückkehren musste. Seine Arbeit als Guide macht er engagiert und auf die Frage nach Frustration angesichts seiner eigenen Situation antwortet er: „Auch meine Zeit wird kommen.“ Hoffentlich! Das ist etwas, was uns während unserer Reise durchgängig begleitet – gut ausgebildete, hochmotivierte junge Menschen, die aber nach all ihren Mühen in ihrem eigenen Land keinen Job finden …

Nach drei Wochen und über 2.000 km Strecke – die meiste davon auf Schotterpiste – haben wir Namibia von Süden nach Norden durchquert und sind an der angolanischen Grenze angekommen. Zwischen uns und Angola liegt nur noch ein Fluss … Hier locken die Epupa Falls, wo der Grenzfluß Kunene 40 m durch mehrere Felsengen in die Tiefe stürzt. Die grünen Flußauen nach der vielen trockenen Landschaft tun auch mal wieder gut. Plötzlich sind da Palmenhaine, prompt auch eine Quelle für Palmschnaps … aus einer Palme werden bis zu 1.000 l Palmschnaps hergestellt. Von dieser Be“wirtschaftung“ zeugen die als Treppe in die Palmstämme geschlagenen Holzstücke. Leider ist die Palme am Ende … tot. Beeindruckend auch die riesigen Baobab-Bäume, die selbst an den steilen Ufern des Canyons noch hartnäckig aus den Felswänden ragen. Die gesamte Umgebung sieht aus wie ein Paradies für Krokodile und vor Baden im Fluß wird auch überall gewarnt, nur zeigen will sich uns keines der Reptilien – weder auf alleiniger Pirsch flußabwärts noch mit Führer auf dem „Crocodile Walk“ flußaufwärts – Pech gehabt! (… dafür gibts kleine Echsen mit rotem Schwanz …)

 
Wir fahren der Grenze und dem Kunene entlang Richtung Osten nach Ruacana und hoffen hier im Fluß Krokodile oder auch Flußpferde zu sehen – aber wieder nix. Die Strecke ist trotzdem sehr schön und wir fahren mehrere Stunden auf einer Sandpiste mit achterbahnmäßigen Einschnitten.
Weiter geht es wieder nach Süden – Richung Etosha Nationalpark. Seit Wochen mal wieder Teerstraße – Luft in die Reifen und die nächsten 300 km sind ein Klacks. Und nun – sind wir gespannt auf Elefanten, Giraffen, Löwen, Zebras … dass zwei Hunde gleich am ersten Abend auf der Guestfarm 10 m von uns entfernt über ein Kudu  herfallen mussten ist dann doch eher der Senkrecht-Einstieg ins Fressen & Gefressen-Werden der afrikanischen Tierwelt !