Darjeeling – das ist nicht nur eine Teesorte …

Darjeeling – das ist nicht nur eine Teesorte …

12. November 2018 2 Von sschellh

Darjeeling … die grüne Lunge Indiens … Ruhe-Oase in den Bergen … oder so? So leise Zweifel tauchen doch auf als wir uns mit Hunderten von Autos die kurvenreiche Straße durch eine Wolke von Abgasen nach Darjeeling hochstauen … darüber täuscht auch der Blick in eine wunderschöne grüne Hügellandschaft nicht hinweg … es gibt einfach seeeeehr viele Menschen hier in Indien und die haben jetzt zum Diwali-Fest (Lichterfest) Zeit für einen Kurzurlaub in den Bergen. In Darjeeling herrscht „Zermatt-Stimmung“ … viele indische Familien kaufen ihre – offensichtlich ersten – Handschuhe und wickeln sich abends Schals als Mützenersatz um die frierenden Köpfe … und wir bummeln am Abend schmunzelnd in unseren Daunenjacken durch die „Fußgängerzone“ der Stadt.

Am nächsten Morgen starten wir direkt zum Singalila Ridge Trek, der uns 6 Tage an der indisch-nepalesischen Grenze entlang durch den gleichnamigen Nationalpark führt und grandiose Aussichten auf das Kanchenjunga Massiv und die Everest Gruppe bietet. Der Anfang ist etwas mühsam, weil die Strecke auf und parallel zu einer „Römer“-Straße führt, auf der sich indische Familien in Jeeps den Berg hinauf schütteln lassen – das hatte keine der Beschreibungen als Warnung verraten. Ein Trost sind die bunten Gebetsfahnen, die munter im Wind flattern und die ersten Ghumpas, die uns immer mal wieder am Weg begegnen.

Nach zwei Tagen erreichen wir den ersten Höhepunkt: Sandakphu – 3.600 m hoch gelegen – ansonsten bietet der Ort recht wenig. Gegen die nächtliche Kälte bekommen wir eine Wärmeflasche in den Schlafsack – einfach nur SUPER!! ( …die Daunenjacke ziehe ich zum Schlafen trotzdem nicht aus…) Neema – unser Guide – weckt uns um 5:15 um die Berge bei Sonnenaufgang zu bestaunen und die Schneeflanken erst im rötlich und danach im goldenen Schein zu erleben. Auf der linken Seite Mt. Everest, Lhotse und Makalu und auf der rechten das gewaltige  Kanchenjungamassiv im Morgenlicht.

Während viele Wanderer von Sandakphu den Rückweg Richtung Darjeeling antreten, folgen wir dem Auf und Ab des Bergkamms weiter bis nach Phalut – zum nächsten Aussichtspunkt. Die Strecke wird hier erst richtig schön – Eichen- und Rhododendronwälder wechseln sich ab mit freien Hochebenen und Everest und Kanchenjunga sind immer in Sicht, außerdem nimmt die Anzahl der Jeeps deutlich ab. Entspannt liegen wir auf der Wiese in der Sonne und genießen die Ruhe. Auf meine schmunzelnde Bemerkung, dass es also auch in Indien ruhige Ecken gibt, erwidert Neema trocken: „Das hier ist Niemandsland … zwischen Nepal und Indien“. Also zu früh die Lorbeeren verteilt …

Am nächsten Stopp eine kurze interkulturelle Lektion in „Wie sag ich‘s meinem Kinde“ … wider Erwarten wird nach dieser doch recht langen Etappe nicht zuerst das Zimmer im Homestay bezogen und die Zeit für ein Erholungsnickerchen gewährt, sondern es gibt leise „unauffällige“ Diskussionen zwischen Guide und Homestay-Besitzer. Frei nach dem Motto : Bloooooß nicht das Gesicht verlieren! Wir sitzen zunächst zwar noch gemütlich vor der Unterkunft in der Sonne und bekommen schließlich auch einen Chai serviert … aber die Zeit vergeht, es wird kalt und kälter, Handys werden bemüht, verstohlene Blicke … schließlich haken wir doch mal nach und tatsächlich: Mit der Buchung ist was schief gegangen und bei drei verfügbaren Zimmern wird es in Kombi mit der indischen Großfamilie nun doch eng. Das Problem: „Wie bringen wir den Europäern bei, dass sie im Mini-Durchgangszimmer direkt vorm Klo übernachten müssen ????“ Wir drängeln uns erstmal zur Familie in die Küche vor den Ofen und machen noch ein bisschen Musik … und dann schließlich „Ende gut, alles gut“: Es ist doch noch ein Zimmer frei, da angemeldete Leute es heute nicht auf den Berg geschafft haben… Wir haben für den Abend unseren Platz in der warmen Küche sicher und zelebrieren auch in dieser Nacht das nun schon vertraute Ritual: Wärmflasche an die Füße für die kalte Nacht – Wecken um 5:15 zum Sonnenaufgang. Trotz der morgendlichen Kälte beeindruckt uns das Bergpanorama erneut. Immerhin sind wir von Phalut bis auf 10 km Luftlinie am Kanchenjunga Massiv dran.

Phalut bildet das Dreiländereck Bengalen – Nepal – Sikkim … wir treten von hier aus nun auch unseren Rückweg nach Darjeeling an. Abwärts wandern wir durch meist dichte Wälder nach Gorkhey – mit abnehmender Höhe wird es nun deutlich wärmer und im Regenwaldklima werden die Wege zunehmend rutschiger. Ein weiterer Tag führt uns durch mehrere kleine bunte Dörfer und über terrassierte Felder nach Timburey. Das Homestay hier ist sehr gemütlich und wir fühlen uns bei einem Sonnenuntergangsbier im Hof schnell heimisch.

Wir probieren Chang – das nepalesische Hirse“bier“. In großen Krügen – Thongbas – wird fermentierte Hirse immer wieder mit heißem Wasser aufgegossen und aus einem Bambusrohr geschlürft … Zudem bekommen wir eine Einführung in die Herstellung von Momos, den lokalen „Ravioli“, was uns einiges an Fingerfertigkeit abverlangt. Da wir nach dem Momo-Basteln wohl noch nicht ausgelastet schauen, landen wir zum Schnibbeln in der Küche. Endlich mal wieder am Herd ! 

Mit uns ist eine lokale Gruppe Jungs aus Rimbeek im Homestay zu Gast. Sie erfreuen sich am Chang und Bier und sind im Hof mit Musik und Tanzen am Party machen. Auch wir werden mal wieder zum Mittanzen motiviert … Als ich die Ukulele auspacke sind die Jungs nicht mehr zu stoppen und wollen das Liederbuch von vorne bis hinten durchmachen. Selbst die indische Großfamilie singt und klatscht partiell mit – insbesondere als sich zu einem englischen Countrysong auch ein allseits bekannter indischer Text findet. Ein Familienvater stimmt dann auch noch das Lied „We shall overcome“ an – das hat in dieser Umgebung dann schon noch einen anderen Klang als zu Schulzeiten und es spiegelt sich die Freude an der Verständigung über die Musik im Gesicht des Mannes wider. Später vertraut uns einer aus der „Jungs“-Truppe noch an, dass im familiären buddhistischen Umfeld in Rimbeek Trinken, Rauchen & Feiern nicht so opportun sei und sie deshalb im Freundeskreis besser eine „Wanderung“ in das Homestay unternehmen. Es wird uns also zu später Stunde ein kleiner Blick hinter die Kulissen gewährt …

 

Der letzte Tag führt uns dann auch nach Rimbeek von wo aus wir per Jeep nach Darjeeling zurückkehren. Wir kommen gerade rechtzeitig an, um den Sieger des Mt. Everest Challenge Marathon zu bestaunen – der in 6h quasi einen Großteil unserer 6-tägigen Wanderung zurückgelegt hat!!!

Wir ruckeln im Jeep stundenlang nach Darjeeling zurück – freuen uns über die heiße Dusche und stürzen uns wieder ins Urlaubsgetümmel. Zoobesuch und Toytrainride … Touri-Feeling pur… aber die heimischen Tiere, die sich in den Bergen so gut verstecken doch mal zu sehen, hat schon auch was. Und so eine Dampflok hat doch auch ihren Charme … nach einem Tag Trubel freuen wir uns auf ein paar hoffentlich ruhige Tage in Sikkim.