
Kolkata: City of Joy !?
Nach so viel Grün steht nun für uns das Stadtleben in Indien an … und zwar das richtig große Stadtleben !!!
Von Sikkim fliegen wir nach Kolkata (früher Calcutta). Da wir von Bagdogra zuerst nach Guwahati (Assam) und von dort nach Kolkata fliegen, können wir den Charme indischer Regionalflughäfen gleich doppelt genießen … rappelvoll und unübersichtlich … eigentlich ein Wunder, dass nach der Gepäckscanneraktion doch noch alle unsere „elektronischen Geräte“ vollständig wieder auftauchen. Ein paar ältere indische Damen führen sich in puncto Drängeln wie beim Super Sale am Black Friday auf … immer schön auf Tuchfühlung … und dazu gibt es dann eine Handtaschen-Ratatouille!
Bevor wir für ein paar Tage ins quirlige Kolkata eintauchen, gehen wir zunächst auf einen Wochenendausflug in die Sunderbans. Auf dem Singalila Trek hatte uns eine Männertruppe so arg von ihrer Heimat vorgeschwärmt, dass unsere Neugierde geweckt war. Ein bisschen Ruhe in der Natur, mit dem Boot über die Kanäle shippern, Tiere beobachten, den Sonnenuntergang genießen … das klang einfach verlockend! Die Sunderbans sind die größten Mangrovenwälder der Erde und erstrecken sich über Westbengalen und Bangladesch. Sie liegen in dem Mündungs- und Überschwemmungsgebiet von Brahmaputra, Ganges und Meghna und beherbergen einen Nationalpark – das Sunderbans Tiger Reserve – wir sind also auf den Spuren des Bengaltigers!!
In einer recht internationalen Gruppe mit Einheimischen aus Kolkata, Franzosen, Norwegern, Briten, Italienern, Amerikanern und uns Deutschen machen wir uns im Bus auf den Weg Richtung Osten bis wir in Gadkhali auf einem Boot zu unserem Eco Camp in der Nähe des Nationalparks schippern können. Die ersten großen weißen Reiher werden gesichtet, hinter Uferdämmen tauchen kleine Dörfer auf und wir beobachten die Fischer beim Auswerfen ihrer Netze.
Nach der Ankunft im Camp lernen wir bei einem Dorfrundgang mehr über die Menschen im Flussdelta. Man lebt hier von Landwirtschaft, Fischfang und Honigsammeln … bei den letzten beiden Tätigkeiten werden offiziell jedes Jahr ca. 100 Einheimische Opfer von Tigern – die Dunkelziffer sei deutlich höher. Beim Fischfang und insbesondere beim Honigsammeln in den Mangrovenwäldern bewegen sich die Leute – ungeschützt – auf dem schlammigen Untergrund und werden so zu einer leichten Beute für die Raubkatzen – man erzählt uns, dass die Honigsammler vor ihrem Aufbruch sogar ein Trauerfeier-Ritual durchführen und ihre Frauen bis zur Rückkehr als Witwe gekleidet sind.
Am späten Nachmittag geht es mit lokalen Holzbooten in die schmaleren Seitenarme der Mangrovenwälder. Wir sehen erste Eisvögel in ihren schillernden Farben …und dürfen als kleine Mutprobe mit einer Riesenkrabbe „kuscheln“, die unser Guide aus dem Schlamm zieht … es schaut eigentlich nur der Stachel senkrecht aus dem Matsch, wie MG das unscheinbare Teil entdeckt hat ist uns schleierhaft. Und dann schlägt der Herr uns eine Wanderung in der Schlammlandschaft vor – das kann eigentlich nur ein Witz sein! Aber letztendlich bringt er alle dazu aus dem Boot hinein in den knietiefen schwarzen Morast zu steigen. Sonja bekommt sofort Kindheitserinnerungen ans Watt und MG provoziert tatsächlich auch nach kurzer Zeit eine Schlammschlacht ! Nun wird spätestens klar, dass ein Fortkommen in diesem Gelände insbesondere im Angesicht eines Tigers definitiv chancenlos ist … Honigsammler ist hier echt ein undankbarer Job … und wir hoffen für unseren Fall, dass der Tiger heute abend satt ist oder einfach keine Lust auf matschige Pfoten hat!
Die Abendidylle der Mangovenwälder könnt ihr den Fotos entnehmen … sehr schön und besinnlich … wäre es gewesen … aber: Wir sind in Indien !!! … und auch hier draußen dröhnt gleich aus zwei Richtungen bis weit in die Morgenstunden laute Musik !! – scheinbar gibt es in Indien immer eine Gottheit, die mit einem lokalen Fest und lautem Tam-Tam verehrt werden will … na ja, wir wollten ja beim Reisen einen Einblick in die Lebenswelt des jeweiligen Landes bekommen – Ruhe gibts dann woanders hoffentlich mal wieder …
Den Sonntag verbringen wir entspannt auf dem Boot und sind auf Tierbeobachtung in den vielen verzweigten Kanälen. Wir sehen Hirsche, Wildschweine, riesige Echsen und viele unterschiedliche Vögel – insbesondere verschiedene Arten der bunt schillernden Eisvögel, aber Tiger oder Krokodil wollen sich dann doch nicht zeigen – sind halt scheue Tiere in freier Wildbahn. Lediglich den Pfotenabdruck eines Tigers haben wir entdeckt … ganz schön groß!! So bleiben nur die Tigergeschichten, die uns noch eine Weile auf der Rückfahrt nach Kolkata begleiten…
Und nun heißt es ab ins Getümmel: KOLKATA – City of Joy – die Stadt Mutter Teresa‘s – kulturelle Hauptstadt Indiens … bei meinem letzten Indienbesuch hatte ich nicht die Gelegenheit hierher zu kommen, hatte aber Einiges gelesen und gehört. Wenn wir die Einheimischen fragen, was denn das „must see“ von Kolkata ist, bekommen wir immer wieder die Antwort – „Ihr müsst in die Straßen und die Seele der Stadt spüren.“ Also machen wir uns auf, die Seele von Kolkata zu erkunden, aber um es vorweg zu nehmen – die Stadt macht es uns nicht leicht. Erster Eindruck: Es gibt viele Menschen in der Stadt, wirklich VIELE !!! – wer einen Eindruck von Überbevölkerung bekommen möchte – Kolkata is THE place to be. Für uns bedeutet das: Ständige Überforderung aller Sinneseindrücke – unglaubliches Gedränge, Verkehrschaos ohne Ende, Lärm, Müll und alle erdenkliche Duftnoten … Wir sind nach ein paar Stunden immer völlig erledigt und entfliehen dem Chaos.
Unseren ersten Tag verbringen wir dann auch am Victoria Memorial – und drängeln uns lediglich mit Hunderten von indischen Touristen durchs Stadtkunde-Museum … immerhin ohne hupende Mopeds!
Der Einblick in die Stadtgeschichte Kolkatas fasziniert uns beide – die Ausstellung zeigt, wie stolz die Stadt auf ihre Bedeutung und ihren Einfluss während der britische Kolonialzeit ist. Angesichts der alten Fotos sind wir jedoch fassungslos, wie Menschen innerhalb von zwei Jahrhunderten eine Stadt verändern können. Und wie aussichtslos erscheint Stadtpolitik angesichts des Chaos vor der Tür … Sysiphus lässt grüßen! Allein die ganze alte Bausubstanz ist eine wohl nicht zu bewältigende Aufgabe … geschweige denn der Verkehr … die Luftverschmutzung … die ständig präsente Armut …und und und
Ansonsten lassen wir uns wie geraten die folgenden Tage durch die Stadt treiben. Das Leben findet in Kolkata auf der Straße statt. Direkt vor unserer Hoteltür beginnt der Wahnsinn – am New Market in den alten Backsteinhallen und drum herum versuchen Händler täglich ihre Waren zu verkaufen. Der Marktstand ist gleichzeitig Übernachtungsplatz und so trocknet dann über dem ein oder anderen Gemüsestand tagsüber auch noch die Wäsche. Seid froh, dass Fotos noch nicht die Gerüche übertragen können … auch hier bietet Kalkutta Superlative!
Aber dem Streetfood konnten wir trotzdem nicht widerstehen … auch hierfür ist Kolkata bekannt. Alle paar Meter eine Brutzelbude auf engstem Raum, oft nur eine Nische in der Häuserwand. Besonders angetan haben es uns die Dosas – gefüllte knusprige Pfannkuchen … Yummy!
Überhaupt ist Kalkutta die Stadt der Kleinunternehmer … ständig stolpert man über alle möglichen Verkäufer und ihre Waren, Barbiere walten ihres Amtes auf dem Bürgersteig und auf guten alten Schreibmaschinen werden Anträge und Formulare ausgefüllt. Datenschutz? Privatsphäre? Luxusprobleme!
Und dann überall die Rikschafahrer – spindeldürre Männer transportieren in Rad- oder Laufrikschas Waren oder gewichtige Damen & Herren durch die engen Gassen. Die Gesichter von Erschöpfung gezeichnet … und eigentlich sind die Rikschas längst verboten. Theorie und Praxis im alltäglich Kampf ums Überleben.
Ein bisschen Kontrast und Wohltat für die Sinne versprechen wir uns vom Flower Market, einem großen Blumenmarkt an der Howarth Bridge. Ja, es ist farbenfroh und es sind viele schöne bunte Blumen … aber auch hier ein Riesengedränge – wir sind mehr damit beschäftigt den Händlern nicht in die Quere zu kommen und uns nicht zu verlieren als das wir wirklich schauen können. Mit Blumen wird hier ein großes aber vergängliches Geschäft betrieben – die vielen Götter liiiiiiiiieben Blumenketten!
… und wir … wir haben uns in diesen Tagen immer wieder Oasen gesucht in dieser turbulenten Stadt … ein nettes Café, eine Kneipe mit kaltem Bier, ein gemütliches Restaurant … nach drei Monaten das erste Glas kalten … indischen (!)… Weißwein – auch all dies gibt es in Kolkata. Die Gegensätze sind unbeschreiblich und selbst in Bilder lässt sich DIESE Stadt kaum fassen … oft verbietet sich sogar das Fotografieren … und es hilft für den Moment nur ein Chai am Straßenrand oder die Gelassenheit einer Mutter Teresa …
Es ist nun 38 Jahre her, dass ich für ein paar Monate in Indien war. Aber irgendwie höert sich alles so vertraut an, als haette sich gar nicht viel veraendert….
Nur Wein gab’s damals nicht, Lassi war auch gut….
. Herzlich Elke
? es gibt einiges, wo man meint es hat sich nichts verändert in Indien in den letzten 30 Jahren – das Chaos, der Dreck, die Kühe, die von Pan gefüllten Münder und deren Hinterlassenschaften an den Wänden, Street Food überall, Bettler, und, und …
Auf der anderen Seite ist Indien auch eine der jüngsten Gesellschaften – und das ist ebenfalls überall spürbar !!! Jeder hat ein Smartphone – junge Leute sowieso, Rickshaw Fahrer, buddhistische Mönche, … es gibt angeblich 1.2 Mrd Smartphones in Indien und Internet ist Hipp. Selbst an den kleinsten Bruzzelbuden kann mit payTM (online payment) bezahlt werden, alles geht irgendwie online. Dann war vor 30 Jahren Nehru’s sozialistisches Projekt noch voll am Laufen – heute spürt man davon nichts mehr – Du erinnerst Dich sicher noch an ThumpsUp statt Coke Cola ? – gibt es immer noch aber Coke auch! Indien ist voll von allen globalen Produkten und Amazon liefert innerhalb von 2 Tagen in den letzten Winkel/Slum von Indien – wenn man es sich leisten kann …