Varanasi … zwischen Sadhus und heiligen Kühen

Varanasi … zwischen Sadhus und heiligen Kühen

30. November 2018 4 Von cschellh

Wir verlassen Kolkata und lassen uns auf die nächste Indienerfahrung ein: Schlafwagenfahren. Es ist gar nicht leicht ein Zugticket zu ergattern, doch online über die Tourist Quota klappt es. Den richtigen Wagen finden ist die nächste Herausforderung … die Züge hier sind beeindruckend lang. Und der Zug … hm … wie im Film … vergitterte Fenster … kurzes Zusammenzucken … der AC Sleepper – knatternder Ventilator und Plastikliegen – Schlafsäcke sind echt was Tolles !!! Aber nachts durch Indien zu rattern hat irgendwie auch was Gemütliches und … einen Hauch von Abenteuer ? Das Abteil teilen wir uns mit einer rustikalen älteren Dame, die in ihrer Körperhaltung auf der Pritsche hier im „Sleeper“ irgendwie … an ein Walross erinnert. Sie amüsiert sich ziemlich darüber, dass wir kein Hindi verstehen und sprechen. Macht nix – Deutsch und Lachen tut’s eigentlich auch ! Mit wenig Verspätung (…nur 40min…) – das übliche Stop&Go zehn Klilometer vorm Zielbahnhof … kommen wir in Varanasi an. Drängel&Quetsch raus aus Zug und Bahnhof … (warum müssen sich indische Großfamilien immer  direkt nach dem Aussteigen clustermäßig in Barrikadenmanier auf dem Bahnsteig niederfallen lassen ??? … auch wir rollen inzwischen mit unserem Gepäck hemmungslos über Zehen und was sich da sonst so im Weg rumtreibt. Auch die Ellenbogenhaltung hat sich inzwischen den Umständen angepasst. Funktioniert so die Evolution ??? … zum Glück werden wir direkt vorm Bahnhof abgeholt, denn im Straßenverkehr setzt sich die Drängelei grad fort … – außerdem keine Chancen alleine das Hotel in den charmanten, verwinkelten Gassen der Altstadt mit unserem Gepäck selbständig zu erreichen. Die Frequenz und Lautstärke der Mopedhupen selbst in den kleinsten Gassen topped alles bisher Erlebte. Sind die Leute hier eigentlich alle taub ??? Geruchsnerven werden anscheinend ebenfalls direkt bei Geburt amputiert – die heiligen Kühe hinterlassen ihre Tretminen und dementsprechendes Aroma in den ansonsten wirklich schnuckeligen Altstadtgassen … die Leidensfähigkeit der Menschen hier ist echt beeindruckend – und wir finden heilige Kühe in diesem Umfeld nur begrenzt sympathisch …

Nichtsdestotrotz … wir quartieren uns in einem netten Hotel direkt am Ganges ein … von der Dachterasse direkten Blick auf den Fluss … so ein toller Blick !!! Ommmmmm …

Mit einem Spaziergang entlang der Ghats zieht uns Varansi sofort in seinen Bann – die Spiritualität ist so greifbar … viele Sadhus (Asketen) sitzen meditierend am Flussufer … gläubige Inder waschen sich im heiligen Wasser des Ganges … wir beobachten Vorbereitungen für die abendliche Puja, shippern mit dem Holzkahn abends im Mondlicht  über den Fluss … und dann sind da auch die Ghats, an denen non-stop die Leichen verbrannt werden … wenn die Asche der Verstorbenen direkt in den Ganges gestreut wird, ist Der/Diejenige aus dem Zirkel der Wiedergeburten befreit … Varanasi ist für Hindus DER heilige Ort schlechthin.

Und dazu gehört dann auch der Besuch des – massiv gesicherten – Goldenen Tempels … die Menschen stehen geduldigst in den engen Gassen stundenlang an … (an Feiertagen bis zu 48 Stunden!!! ). Wir haben uns den Tipp geben lassen gleich morgens um 6 Uhr aufzutauchen … auch da gibt es schon eine beachtliche Schlange! … aber mit Touri – Bonus ( … , der einerseits peinlich anderseits super praktisch ist …) kommen wir doch recht zügig ins „Heiligtum“.  Außen wird noch einmal auf Ruhe, Besinnlichkeit … etc. hingewiesen  – drinnen erwartet uns Fließbandabfertigung von Gläubigen, Hauen&Stechen am Shiva-Lingnam in einem silbernen Altar … unfassbar… eine alte Frau wurde den Tränen nahe vor unseren Augen aus dem Heiligtum herausgezerrt … ihre 3 Sekunden zum Opferbringen waren rum – da schwirren uns schon die Gedanken durchs Hirn: Die Frau stand wahrscheinlich seit den frühen Morgenstunden in der Schlange, ist vielleicht Hunderte von Kilometern nach Varanasi angereist, einmal in ihrem Leben, mit mühsam erspartem Geld … und hatte nun keine wirkliche Zeit ihr Opfer darzubringen. Das hinterlässt einen fahlen Beigeschmack … genau wie die Tatsache, dass uns zwangsweise ein Blumenschälchen als Opfergabe aufgedrückt wird, wir unsere Schuhe nur unter massivem Geschimpfe ohne Obulus zurückbekommen … Religion als Businessmodell … auch das gibt es hier zu Hauf!

Ansonsten lassen wir uns durch die verwinkelten Gassen treiben, beobachten Weber bei der Herstellung von zauberhaften Saristoffen, schauen uns auf der Suche nach einer Grünfläche die Uni an und stoßen auf lauter knutschende Pärchen – soviel zu zu Keuschheit bis zur „arrangierten Ehe“ ? An einem Abend lauschen wir auf den Treppen der Ghats den Musikern des Kabira Festivals. Ein toller Ort für ein Konzert !!! Ein weiteres Highlight war sicher der Blue Lassi Shop, selten so leckere Lassis genossen – da müssen wir gleich mehrmals hin! 

Und dann fahren wir noch nach Sarnath … Dort hielt Bhudda seine erste Predigt und es gibt diverse Tempel gestiftet aus verschiedensten Ländern und zudem auch noch antike Tempelruinen …

Varanasi ist für uns ein bunter Mix aus Gegenwart und Vergangenheit – aber definitiv eine Reise wert! 

Ach ja, und meine Haare lasse ich mir frühmorgens direkt vor Zugabfahrt noch direkt am Ganges schneiden … mit Gangeswasser ! … somit … schnittig kurz =) =) =)