Weite Landschaften, große Farmen – Namibia‘s Süden

Weite Landschaften, große Farmen – Namibia‘s Süden

12. Mai 2019 0 Von cschellh

Wir reisen über den Oranje River nach Namibia ein und durchlaufen nach festgeschriebenem Grenzprotokoll einige Stationen mit freundlichen Leuten auf beiden Seiten der Grenze. Doch dann stören wir unglücklicherweise im letzten Moment auf namibischer Seite eine Zollbeamtin beim Mittagessen. Prompt werden wir wieder nach Südafrika zurückgeschickt, um die an Bord entdeckten frischen Eier zu entsorgen – Einfuhr nicht erlaubt! U-Turn und zurück über den Fluss nach Südafrika: Die südafrikanische Zöllnerin auf der anderen Flussseite freut sich über die 17 Eier, ist aber ebenfalls etwas verwundert … Egal, wir machen uns auf Richtung Norden zum Canyon Roadhouse, um von dort den Fish River Canyon zu erkunden. Und weil wir noch eine namibische SIM Karte und ein paar Lebensmittel brauchen, fahren wir einen Umweg nach Grünau zum Einkaufen – die vermeintliche Kleinstadt entpuppt sich als Ansammlung trostloser Häuser mit Wildwest Bahnhof ?. „Einkaufen ??? Oben an der Straße gibt es eine Shell Tankstelle …“ – so eine gab es direkt nach der Grenze auch ? – Anfängerfehler! „SIM Karte? Ja, haben wir – aber ‚out of stock'“. Okay, dann von den Eiern – „… out of stock“. Fazit – beim Thema Einkauf müssen wir in Namibia cleverer werden! Immerhin können wir „organic meat“ am Straßenrand erstehen und an der Tanke kontrolliert Luft aus den Reifen lassen, denn ab jetzt geht es auf Schotterpisten weiter. Egal ob Teer- oder Schotterpiste – die karge Landschaft und die Weite von Südnamibia nehmen uns in ihren Bann.

Einige Stunden später: Das Canyon Roadhouse ist ein uriges Camp UND die Rezeption verkauft SIM Karten ?. Der Umweg über Grünau war also ziemlich … ÜBERFLÜSSIG !!!!!

Wir pflegen unsere guten Vorsätze und Sonja lässt sich überzeugen den hügeligen Walking Trail als morgendliche Joggingrunde zu absolvieren, wo wir zwischen den Felsen jedes Mal auf ein Paar Klippspringer treffen. Wie schon vorweggenommen (siehe letzter Blogbeitrag …) ist am ersten Morgen ein Mitarbeiter der Autovermietung da und wechselt Dachzelt, Radio und Wagenheber.

Auf geht es zum Fish River Canyon – größter Canyon nach dem Grand Canyon. Vom Aussichtspunkt blickt man auf eine Flussbiegung ganz ähnlich dem Horse Shoe Bend in Utah, den wir vor Jahren umpaddelt hatten – aber von Paddeln ist hier keine Rede, vom Fish River sind lediglich ein paar Tümpel übrig. Anders als der Colorado River führt der Fish River nur noch selten Wasser – Wasser ist insbesondere in diesem Jahr das ständige Thema in Namibia: Immer knapp!! Als es gegen Abend zwei Tropfen vom Himmel spritzt, blühen am nächsten Tag die gelben Blumen am Straßenrand.

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Am nächsten Tag besuchen wir die heißen Quellen im Canyon bei Ai-Ais und dümpeln in einem lauwarmen Pool in der Mittagshitze. Wir fahren wieder zurück nach Süden zum Oranje River und durchqueren am Folgetag den Nationalpark, um im Westen entlang des Parks nach Norden zu kommen. Die Strecke ist wunderschön und wieder genießen wir die Landschaft. Am Parkausgang treffen wir in der Einöde auf einen völlig bedräppelten Parkwächter – man muss sich bei Ein- und Ausfahrt jeweils in Listen eintragen – und jetzt sei doch im letzten Auto jemand mit seinem Stift davongefahren ? … und der neue Stift wird erst nach dem Mittag geliefert?. „Habt ihr vielleicht einen Stift im Auto ??? Könntet ihr Euch mit dem eintragen …“. Wir finden auch keinen Stift im Auto, aber er hebt trotzdem resigniert den Schlagbaum und lässt uns ziehen – die ganze Statistik im Eimer.

Immer wieder staunen wir über die imposanten Landschaften und fahren durch das Minenstädtchen Rosh Pinah (mit Einkaufsmöglichkeiten) nach Aus. Auf dem Campingplatz bekommen wir für die erste Nacht nur noch den Notplatz und an der Rezeption murmelt man was von „nicht so windgeschützt“ – wir erleben eine stürmische, geräuschreiche Nacht in unserem Dachzelt. Am nachten Morgen steht ein Tagesausflug nach Lüderitz an, also ohne Frühstück los – der Gaskocher braucht in dem Wind ewig – also schnell einen Kaffee für unterwegs in Aus holen. Im Hotel am Bahnhof erleben wir eine Überraschung – in der Vitrine steht eine ansehnliche Schwarzwälder Kirschtorte und die wieder mal äußerst freundliche Bedienung bietet mir ein Kirschwasser zum Kaffee an – der Schnaps ist von Schladerer und es stellt sich heraus, dass die Chefin aus dem Schwarzwald kommt. Ganz so originalgetreu ist die Schwarzwälder dann doch nicht – die Sahne ist eher eine Buttercreme … passend zu den Außentemperaturen …

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Kurz vor Lüderitz liegt die verlassene und versandete deutsche Geistersiedlung Kolmannskuppe aus der Zeit der ersten Diamantenfunde. Anfangs sind die Arbeiter auf Knien durch den Sand gerobbt um die Rohdiamanten einzusammeln. Große Gebiete entlang der namibischen Küste sind bis heute Sperrgebiet, weil weiterhin substantielle Diamantenvorkommen vorhanden sind und auch abgebaut werden. Die Arbeiter in Kolmannskuppe wurden schon damals in der unwirtlichen Gegend möglichst gut versorgt – und man kann heute die etwas morbiden Gebäude besichtigen – Kegelbahn, Schlachterei und Eisfabrik – jeder Haushalt bekam 20l Wasser und einen halben Eisblock gratis per Tag; 1l Wasser war so teuer wie Champagner!

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Lüderitz ist einer der wenigen Häfen an der Westküste Afrikas und wurde von einem Bremer Geschäftsmann im 19. Jhd gegründet. Auch hier sind heute noch deutliche deutsche Einflüsse zu spüren – Straßennamen, Hausanschriften, Architektur … Wir interessieren uns hauptsächlich für die kulinarischen Köstlichkeiten aus dem Meer und werden in einem portugiesischen Restaurant direkt an der Mole fündig – der Chef aus Portugal hat nach mehrfachen Urlauben hier letzten Dezember diese Perle eröffnet. Die Austern aus Lüderitz gelten als Beste überhaupt und werden in dem kühlen und sauberen Atlantikwasser des Benguelastromes gezüchtet.

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Unsere nächste Station ist die Koiimasis Ranch – ein sehr schönes Camp auf einer weitläufigen Farm mit traumhaftem Sonnenuntergang in der afrikanischen Landschaft, Lagerfeuer und tollem Sternenhimmel. Gegen Abend kommen auch die Klippschleifer aus ihren Verstecken – gemäß dem Farmer nächste Verwandte zu den Elefanten ??!!!

Geflügelfarm & Pferdezucht – angesichts der geduldigen Quarterhorses lassen wir uns nach langer Zeit mal wieder auf einen Morgenausritt ein und werden von unserem Guide Alexander auf den „Touri“ Pferden gekonnt über das Farmgelände begleitet.

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In der anschließenden Unterhaltung mit dem Farmbesitzer bekommen wir etwas Einblick in die Freuden und Probleme so eine Farm zu führen – Leben in der absoluten Natur, viele Freiheiten, Ausleben der Pferdeleidenschaft, aber auch ständige Suche nach Wasser und Bohren von Brunnen, der Umgang mit den Arbeitern und generell die Herausforderung, die Farm wirtschaftlich über Wasser zuhalten.

Nun steht eines der Highlights Namibias auf dem Programm – die roten Dünen bei Sossusvlei. Die Fahrt nach Sesriem zum Parkeingang führt uns über fast 250 km Wellblechpiste – ein Test von Fahrzeug und Geduld … Wir übernachten im staatlichen Camp im Park und profitieren von den verlängerten Öffnungszeiten zum Sonnenuntergang und -aufgang. Aber mittlerweile sind wir doch etwas verwöhnt und die umliegenden Dünen zum Sunset beeindrucken uns nicht wirklich. Aber für ein Sundowner-Bierchen passt es …

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Am Morgen brechen wir im Dunkeln auf und fahren entlang der Dünenketten während die aufgehende Sonne jede Minute für einen anderen Farbeindruck sorgt. Die letzten Kilometer hat der Allrad richtig was zu tun, um uns durch den tiefen Sand ans Ziel zu bringen. Und dann stehen wir vor den höchsten Dünen aus rotem Sand! Naja, wir gehen vielleicht nicht ganz hoch, aber mal auf den ersten Kamm – doch dann lockt es uns doch vom höchsten Punkt über das weite Sandmeer zu schauen und in der leichten Brise ist der Aufstieg auch ganz erträglich.

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Unter uns liegt die Lehmpfanne – Death Vlei – mit den charakteristischen toten Bäumen noch im Schatten, erst als wir übermütig ca. 170m den steilen Dünenhang hinunterspringen liegt diese weiße Fläche komplett in der Sonne. Fotomotive ohne Ende und somit die Qual der Wahl … welcher Blickwinkel  auf die schwarzen Holzstämme auf der weißlichen Platte mit dem roten Hintergrund ist denn nun der Schönste?

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Für die nächsten Tage verlassen wir die ausgetretenen Touristenpfade und fahren Richtung Naukluftgebirge – Zeit zu haben ist etwas Besonderes … uns sind viele „programmgestresste Bustouristen“ begegnet … die Pistenhoppelei stand nicht in deren Tourbeschreibung – und ähnlich wie im Oman ist auch hier das langsame Reisen das, was zum Ambiente passt – wenn man es sich aussuchen kann. Unser Weg führt uns über Solitaire, eine Versorgungsstation, in der die Zeit stehen geblieben scheint – für uns dennoch totaler Luxus: Eine Bäckerei und Tankstelle mit zugehörigem Laden lassen uns unsere Vorräte auffüllen.

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Ein paar Kilometer außerhalb von Soitaire quartieren wir uns auf der Ababis Guestfarm ein und haben die Camping-Area ganz für uns allein … „Out of Africa“ lässt grüßen!

Am Morgen gibt unser Gaskocher den Geist auf – also zurück nach Solitaire … Frühstück & Cappucino in der Bäckerei und das Ventil vom Gaskocher wird auch fachkundig gesäubert … da war doch mal … Trekking in Tadschikistan? Ich sag’s euch: Kocher sind Sensibelchen !!!! (Ab nun wird der Aufsatz IM Plastikbeutel transportiert … staubsicher – wenn sowas in Namibia geht ; )

Mit etwas Verspätung starten wir unsere Wanderung im Naukluft Park … in der Waterkloof Schlucht überraschen uns glasklare Badepools, Paviane und Kudus – an unserem anviesierten Lieblingsbadepool sind wir auf dem Rückweg leider glatt vorbei gelaufen – also bleibt uns nur … ein kühles Bier an der Bar zur Erfrischung …

Weiter gehts am nächsten Tag über diverse Pässe durch die Felsenlandschaft des Naukluft Parks – jeder Pass wird in unserer Reisebibel penibelst mit Neigewinkel und Gefahrenpotential beschrieben … wir haben es überlebt … pipifax im Vergleich mit dem Oman! Off-Road-Fahren nach Iwanowski können wir … (jo, jo …). Unser nächstes Ziel – die Isabis Farm nebst 4×4 Trail – „der Trail ist auch für Ungeübte gut zu fahren …“ – soweit Iwanowski’s Reiseführer … liebe Leute: DAS war Horror pur (Beifahrerin, krallt sich mangels Lenkrad am Sicherheitsgurt fest) – „spannend“ (Fahrer … mit leuchtenden Augen angesichts Felsstufen, Riesenreifenkillerschotter, 35 Grad Abfahrten, Fels-Toren, die grad so der Fahrzeugbreite plus ner Briefmarke entsprechen … Schräglage am Hang … jo, jo – wir sind ja schwindelfrei (… das Auto auch ????) … Anyway – wir haben (mal wieder) überlebt – das Auto und die Reifen auch. (… jetzt muss ich nur noch mein Versprechen einlösen statt ner zweiten Runde Isabis Trail wieder mit auf Skitour zu gehen …). Und bei Ankunft im Camp nach zwei Stunden Cross Country Off-Road ist SOFORT ein doppelter Gin mit einer Tüte Chips fällig!!! Ich bin echt nicht sooooo leicht aus der Fassung zu bringen, aber das hier toppt definitiv die nächtliche Tuk Tuk-Fahrt auf ner Autobahn in Indien !!! (… und wenn mir HERR Iwanowski mal im Dunkeln begegnet garantiere ich für NICHTS … ER war nämlich nach Auskunft des Farmbesitzers noch NIE hier um den 4×4 Trail probezufahren!!!).

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Die Campsite ist auch richtig rustikal … aber: Mit Holz beheizt gibts sogar eine Warmwasserdusche nach dem Joggen am Morgen!!! … Chris amüsiert sich derweil über die Toilettenkonstruktion … ein Schießstand für Jäger mit Durchfall ??? Ich widme mich in der Zeit der „Hausarbeit“ … im Angesicht der enger werdenden Kreise der Baboons … Affen sind NICHT süüüüüüß!!!!

Beim Abschied im Farmhaus treffen wir auf die Farmerin … Kinder und Mann sind unterwegs … ein Kindergeburtstag mit fünf Familien will vorbereitet werden … und trotzdem bleibt Zeit für ein Schwätzchen und einen Gang plus Geschichte durchs Farmhaus. Das Anwesen beeindruckt uns definitiv … seit drei Generationen ist die Farm nun in Hand dieser Familie. All die Idylle täuscht zunächst über die Härte des Farmlebens hinweg – im Gespräch zeigt sich, dass aktuell angesichts der Dürre 1000 von 1500 Rinder verkauft werden mussten, die restlichen 500 auf eine andere Farm übergesiedelt wurden (… wo es hoffentlich genügend Gras bis … Oktober oder evtl sogar nächstes Jahr diese Zeit gibt …) – der Pferdezuchtbetrieb steht auf der Kippe – den Pferden stehen die Rippen heraus und der Futterimport aus Sambia oder Südafrika frisst letzte Reserven. Staatliche Unterstützung gibt es für weiße Farmer definitiv nicht … Den Tränen nahe berichtet die Farmerin von Farmern weiter im Süden, die vor dem Bankrott stehen und von Rindern, die nach dem Transport zur Auktion nur noch tot vom Viehtransporter kippen. Eine Lebensrealität, die uns Europäern total fremd ist … ein mitfühlender Händedruck und „Good luck!“ … was bleibt uns anderes? – etwas gedrückter Stimmung verlassen wir die Farm – die Situation beschäftigt uns gedanklich weiter … langsam reisen heißt auch genauer Hinschauen …

Eigentlich wollten wir durch die Wüstenlandschaft auf abgelegenen Pisten Richtung Swakopmund fahren … ein Farmer-Kopfschütteln und die Frage, ob wir wirklich unter nem Baum in der Wüste den Tag in der Einöde verdödeln wollen sorgt dann doch für andere Pläne: Insider Tipp – die Blutkoppe soll es sein … und das macht wirklich Sinn … einige Stunden und Kilometer hoppeln wir wieder durchs Nirgendwo … schauen tiiiiief in den Kuiseb Canyon … dann weiter Wellblechpiste vom Feinsten … und schließlich stranden wir am Spätnachmittag an der Blutkoppe … eine Felsenformation in der weiten Landschaft. Abendsonniger Zeltplatz und eine kurze Kraxelei auf die Blutkoppe zum Sonnenuntergang … Bierchen & Nüsschen inklusive. Zurück bei Mondenschein … es ist fast Vollmond und das ist ziemlich scenic !!!

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Am nächsten Morgen sind es NUR 100km Piste nach Swakopmund – dort erwartet uns ein nettes Appartement mit warmer Dusche und Kuschelsofas … und 14° C ( WAS ?????) Außentemperatur … egal, wir brauchen einen Boxenstopp … Einkaufen, Botswana organisieren, Blog Schreiben und … einfach mal in die Café- und Kneipenlandschaft abtauchen! 

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